Die Perchten Großarl wünschen Frieden, Glück und Gesundheit © Christiane Pirnbacher
Die Perchten Großarl wünschen Frieden, Glück und Gesundheit © Christiane Pirnbacher

Perchten in Großarl

Glück wandert in der Thomasnacht durch den Ort

„Liabe Bauersfrau, schau auf dei Sau. Wann i ho gnuag zum Fressen, wiascht ench des Glück nit vagessen!“ – Das Glücksschwein der Perchten in Großarl bringt Reim zu jedem Bauernhof. Allerdings erst nachdem die „Schiachperchten“ das Schlechte vertrieben haben.

Perchten Großarl bringen „an Fried, an Reim und an Gsund“

Die Thomasnacht war bei den Bauersleuten eine gefürchtete Nacht – die längste, die dunkelste. Die Leute auf den Bauernhöfen schauderten vor dieser Gruselnacht am 21. Dezember – und hofften, dass sie die Perchten besuchen. Denn dies bedeutet Frieden, Glück und Gesundheit für das nächste Jahr. Nur keiner wusste, ob die Glücksbringer auftauchen. Bis 1911 zitterten die Bauersleute dem Besuch entgegen – danach verschwindet der Brauch aus den Aufzeichnungen.

Perchten Großarl © Christiane Pirnbacher
Perchten Großarl © Christiane Pirnbacher

Mehr als 100 Jahre später macht sich eine Gruppe rund um Robert Kreuzer auf die Suche. Inspiriert von den Bräuchen der umliegenden Gemeinden tauchen sie tief ein. Und verzweifeln. Weder in der Ortschronik noch im Gemeindearchiv finden die Männer Hinweise. Schließlich stöbern sie im Archiv eines Ahnenforschers – ihre nächtelangen Recherchen tragen Früchte:

1846 erscheinen die Perchten in Großarl das erste Mal – zumindest in den Chroniken. Seit 1850 finden die Burschen jedes Jahr einen Zeitungsartikel.

Eines Jahres brach das Unglück über den Paulbauern in Großarl herein. Ein Kind verstarb im Frühling, das Wetter war so schlecht, dass die Bauersfamilie kaum Ernte einfuhr. Um den Unreim zu besiegeln, starb ein Pferd aufgrund eines Blitzeinschlages. Die Bäuerin fiebert der Thomasnacht entgegen – die Perchten mussten einfach kommen. Den ganzen Tag sitzt sie auf Nadeln. Sie weiß, dass ihre Familie ansonsten den Winter nicht übersteht. Am Abend stellt sie frische Krapfen vor die Tür – hoffend, dass die Perchten Glück und Segen bringen. Und siehe da: Am nächsten Morgen sind die Krapfen weg – am Paulbauernhof kehrt mit den Wünschen der Perchten Ruhe ein.

Solche Momente berühren die Männer. Sie inhalieren die Geschichten und beschließen, dem Brauch in Großarl erneut Leben einzuhauchen. Wichtig ist für sie, diese Tradition nicht zu verkitschen. Sie möchten ausschließlich in der Thomasnacht die Bauernhöfe in Großarl besuchen – im 19. Jahrhundert gibt es dort keine Einfamilienhäuser.

Der Perchtenzug

Robert Kreuzer holt Burschen ins Boot. Ja, Frauen haben in diesem Verein Hausverbot. Früher durften auch nur Knechte unter die Masken. Jeder hängt sich in seine „Rolle“. Durch die Recherche entdecken sie die Figuren und entwerfen für Großarl passende dazu.

Der Perchtenzug besteht aus einer ungeraden Anzahl an Personen – ansonsten bringt das Unglück. Eines vergangenen Jahres schwindelt sich am Marktplatz eine Percht dazu. Völlig aufgebracht, werfen die Menschen den Eindringling in den Bach. Der Kasperl führt die Perchten in Großarl an. Dann folgen die Hexen, Schiachperchten, der Sündenbock und der Tod. Sie vertreiben das Böse.

Schiachperchten am Marktplatz in Großarl © Christiane Pirnbacher
Schiachperchten am Marktplatz in Großarl © Christiane Pirnbacher

Dem Sündenbock erzählten die Bauersleute ihre Sünden – alles, was sie sich bei der Beichte in der Kirche nicht zu sagen trauten. Der Tod schaut kurz vorbei und wünscht den Leuten noch einige Jahre glückliches Leben.

Perchta vereint Gut und Böse in einem. Sie baut die Brücke im Perchtenzug. Meistens stolziert sie als Frau durch die Winterlandschaft. Nicht so in Großarl: Die schöne Seite ist weiblich – die schlechte der Teufel. Das Übel in Frauengestalt. Die die Männer verführt… Taucht am besten selbst in die Geschichte auf diesem Foto ein:

Geschichte von Perchta in Großarl
Geschichte von Perchta in Großarl

Danach ziehen die Musikanten, der Hauptmann, 3 Schönperchten-Pärchen, die Habergoaß, der Führer, die Glückssau, der Kupfergeist, der Kaminkehrer, der Zöllner und der Umtrager im Perchtenzug.

Fruchtbarkeitsfiguren wie der Hirsch landen auf den Tafeln der Schönperchten. Umtrager waren fliegende Händler, die von Hof zu Hof marschierten und verkauften – im Großarltal wurde damals schon bequem zugestellt.

Perchten am Marktplatz Großarl © Christiane Pirnbacher
Perchten am Marktplatz Großarl © Christiane Pirnbacher

Bei der Alten Wacht bezahlten alle Auswärtigen Zoll – heute nimmt der Zöllner freiwillige Spenden entgegen. Die Perchten Großarl spenden das Geld an Familien mit Schicksalsschlägen im Tal. Den Abschluss des Zuges bildet der Nachtwächter. Er schwingt sein Rauhfass und besiegelt Frieden, Glück und Gesundheit.

Selbst geschnitzt, gebastelt, genäht

Mit Astei (Rupert Kreuzer) findet die Perchtengruppe den perfekten Schnitzer. Ist nicht so einfach, einen „Putzwaul“ zu schnitzen. Jeder in Großarl kennt zwar diesen Ausdruck – gesehen hat diese Gestalt jedoch niemand. Und in jedem Kopf schwirrt eine Idee, wie dieser aussieht. Nächtelang verbringt die Perchtengruppe in der Schnitzstube vom Astei. Denn die Perchten sollen so sein, wie vor über 100 Jahren. Die Kleider der Perchten finden die Burschen auf den Dachböden. Teilweise schneidern sie. Die Sprüche, der Zug, die Utensilien – Hirnschmalz fließt in den Brauch. Liebe ins Detail.

Die Habergoaß als Extrawurst

Jede Regel braucht eine Ausnahme: Die Habergoaß taucht auch unterm Jahr auf. Sie bringt Glück, lässt es auf den Feldern gut wachsen oder der Tiermarkt läuft gut. Im Sommer 2022 taucht sie bei der Musikantenroas auf – verblüfft dort Einheimische, Gäste und die Vereine.

Habergoaß © Christiane Pirnbacher
Habergoaß © Christiane Pirnbacher

Die Habergoaß ist launisch. Keine leichte Aufgabe für den „Goaßtreiber“ die rund 4 m hohe Figur im Zaum zu halten. Mal wechselt sie die Straßenseite, dann läuft sie in die Menschenmenge.

Wo euch die Perchten in Großarl Glück bringen

Ca. 10 Jahre wandern die Perchten, damit sie jeden Bauernhof in Großarl besuchen. Sie planen ihre Route – die Perchten sind zu Fuß unterwegs. Wenn ihr Glück sucht, hört euch um. Am 21. Dezember verbreiten die Perchten Frieden, Glück und Gesundheit. Im Jahr 2023 irgendwo in den Ortsteilen Unterberg bis Schied.