© Edith Danzer - Pinzgauer Rachnudln nach einem Rezept von Andrea Rieder.

Pinzgauer Rachnudln


Kochbuch-Autorin Andrea Rieder und Kräuterfee Susanne Mitterer erzählen über ein fast vergessenes Weihnachts-Gericht

Wer beim ersten Lesen der Überschrift fragend die Stirn runzelt, dem sei schon mal verraten: Rachn hat nichts mit dem Konsumieren von Tabakwaren zu tun und Nudln nichts mit Spaghetti und Tagliatelle. Das Rachn kommt vom Räuchern, das im SalzburgerLand insbesondere in den Raunächten praktiziert wird. Und „a Nudl“ ist im Pinzgau ein Kuchen oder süßes Gebäck. Soweit die Übersetzung. Doch um zu erklären, was es mit den Pinzagauer Rachnundln nun wirklich auf sich hat, besuche ich zwei Expertinnen.

© Edith Danzer – Andrea Rieder (l. im Bild) und Susanne Mitterer.

Der Leitenhof liegt am wunderschönen Sonnenplateau am Jochberg über Hollersbach im Oberpinzgau. Hier wohnt Andrea Rieder – Bäuerin, ehemalige Lehrerin, Kochbuchautorin und die gute Seele des Kräutergartens in Hollersbach. Sie heißt mich und meine zweite Expertin, Naturzauberwerke-Kräuterfee Susanne Mitterer, herzlich willkommen und wir machen es uns in der heimeligen Bauernstube gemütlich. „Aus wenig viel machen“, das war schon immer der Leitsatz von Andrea. Gemeinsam mit ihrem Mann hat sie 1993 den Bio-Bauernhof übernommen und wurde von der Lehrerin zur Bäuerin. Sie schätzt die selbst erzeugten Produkte, das Regionale, das Überlieferte und Echte. Und diese Überzeugung gibt sie in zahlreichen Kochkursen im Kräutergarten Hollersbach weiter. „Der Kräutergarten ist mein ,Herzibingei‘“, bekennt sie lachend. Und da verzichtet auch die Familie – ihr Mann, die vier Kinder und fünf Enkel – schon mal auf Andrea für ihre „Kräutergarten-Viertelstunde“. Trotz allem fand Andrea dieses Jahr noch Zeit, ein eigenes Kochbuch mit Pinzgauer Gerichten zu schreiben. „Manche dieser Gerichte sind bekannt und beliebt – viele aber kennt man nur noch von den Großeltern. Um diese traditionellen Speisen nicht aussterben zu lassen, habe ich alle nachgekocht, um die Mengenangaben niederschreiben zu können. Denn eine Pinzgauer Köchin kocht meist nach Gefühl und nimmt ein bissl was hiervon und ein bissl was davon.“ So entstand das Kochbuch, in dem ich beim Durchblättern über die Pinzgauer Rachnudln gestolpert bin.

© Roland Hölzl – Susanne Mitterer mit dem Räucherpfandl.

Räuchern am Weihnachtstag

Susanne Mitterer aus Piesendorf kennt diese Süßspeise auch noch von den Großeltern. Die 33-Jährige ist Kräuterfee mit Leib und Seele und gibt selbst Kurse zum traditionellen Räuchern. Sie weiß: „Die Weihnachtszeit ist eine dunkle Zeit und war früher für viele beängstigend. Man fürchtete die ,Wüde Roas‘ draußen in der Finsternis. Die ,Zeit zwischen den Jahren` – die zwölf Tage zwischen Weihnachten und dem 5. Jänner – rief so manchen Aberglauben hervor. Man blieb daheim, heizte ein und bereitete sich aufs neue Jahr vor. Dazu gehörte auch die Reinigung und diese erfolgte durch das Räuchern des Hauses in den Raunächten – die Thomasnacht, Weihnachten, Silvester und der 5. Jänner. Der Weihnachtsabend gehört zu den wichtigsten Raunächten und noch heute wird in vielen Pinzgauer Haushalten bei Dämmerung das Rauchpfandl (die Räucherpfanne)  hervorgeholt. Susanne erinnert sich an Weihnachtstage ihrer Kindheit: „Mit Erlenholz heizte man schon zuvor den Ofen, um eine gute Glut zu bekommen. Nach dem Beten holte Papa die selbst geschmiedete Pfanne und füllte sie am Herd mit Glut. Darauf kamen reinigende Kräuter wie Wacholder, Salbei und Beifuß. Aber auch Schützendes wie Engelwurz, Johanniskraut, Weihrauch und Myrre. Ich nahm das Weihwasser mit einem Tannenzweigerl zum Besprenkeln und mein Bruder trug das Gefäß mit den Kräutern zum Nachlegen. Der starke würzige Rauch wurde im ganzen Haus verteilt und mit seinem Hut schenkte Papa am Ende jedem Familienmitglied einen ,Hut voll Rauch‘ für Gesundheit im neuen Jahr. Heute übernehme ich das Räuchern am Weihnachtsabend selbst und mein Mann und meine vier Töchter begleiten mich bei diesem traditionellen Gang durch alle Räume, rund ums Haus und in die Nebengebäude.“

© Edith Danzer – Die Zutaten für die Rachnudln sind einfach.

Rachnudln als Stärkung für die Christmette

Und weil das „Rachn-Geh‘“ hungrig macht, das traditionelle Bachlkoch, das im Pinzgau an Weihnachten zu Mittag gegessen wird, schon lange verdaut ist und es bis zur Würstelsuppe nach der Christmette noch lange dauert, wurden im Anschluss ans Räuchern die Rachnudln serviert. Andrea erzählt: „Der 24. Dezember ist ja eigentlich noch ein Fasttag. So gab es in vielen Familien erst nach der Christmette die Würstelsuppe mit den geweihten Würsten. Auch meine Mama kochte erst zum Mittagessen das Bachlkoch mit Honigbria (Honigsoße) und später die Rachnudln am Holzherd. Ich denke gern zurück. Die Stube war warm vom Einheizen und es roch frisch nach Schmierseife, da natürlich fürs Christkind alles extra sauber geputzt war. Wir halfen Mama beim Zubereiten der Nudln, die es zwar als Butterkrapfei auch unterm Jahr mal gab, doch an Weihnachten waren zusätzlich noch Rosinen mit im Teig. Danach saßen wir alle am Tisch und angelten uns die Rachnudln aus der Pfanne, um sie auseinanderzubrechen und mit Sauerkraut oder Moosbeemarmelade (Schwarzbeermarmelade) zu füllen.“ Längst duftet es in Andreas Stube nach dem süßem Hefegebäck, das, während wir plaudern, langsam in der Pfanne aufgeht und goldbraun brät. Nebenbei köchelt das Sauerkraut und wir decken den Tisch. Endlich nehmen alle Platz, selbst Andreas Mann Martin ist vom Traktor gestiegen und dem verlockenden Duft der Rachnudln an den Tisch gefolgt. Nur schwer kann ich mir die Kombination von den süßen Nudln mit Rosinen und dem Sauerkraut vorstellen. Doch schon nach dem ersten Bissen ist klar – die Kombination ist genial! Nudl um Nudl wird aus der Pfanne geholt, aufgebrochen, gefüllt und bei fröhlichen Weihnachtserinnerungen und Geschichten wie modernes Fingerfood aus der Hand gegessen.

Pinzgauer Rachnudln

Zutaten

  • 450 g glattes Mehl
  • 1 Pr. Salz
  • 1 Pr. Zucker
  • 1 Würfel Germ
  • ca. 1/4 l Milch
  • 80 g Butter
  • 3 Eier
  • 70 g Rosinen

Zubereitung

Wir stellen einen Germteig her indem wir das Mehl salzen und in eine Schüssel geben, darin eine Mulde drücken und den Germ hineinbröseln, eine Prise Zucker dazugeben und etwas lauwarmes Wasser dazu rühren. Dieses Dampfl lassen wir nun zugedeckt etwa 15 Minuten gehen. Danach rühren wir die lauwarme Milch, die zerlassene Butter und die Eier unter. Mit einer Küchenmaschine den Teig gut rühren, bis die Oberfläche glatt ist. Die gewaschenen Rosinen kurz unterrühren und das Ganze zugedeckt an einem warmen Ort gehen lassen. Wenn der Teig sein Volumen verdoppelt hat, ist er bereit für die Pfanne.
In einer Pfanne lassen wir reichlich Butter zergehen, stechen mit einem Löffel kleine Stücke aus dem Teig und drücken sie leicht in der Pfanne nieder. Die Nudln langsam auf beiden Seiten backen. Während die erste Seite hellbraun gebraten wird, einen Deckel auf die Pfanne geben.

Die Rachnudln werden auf dem Teller mit der Hand auseinander gedrückt, mit gedünstetem Sauerkraut oder Marmelade gefüllt und wieder zusammengeklappt mit der Hand gegessen. Bei der süßen Varianten trinkt man traditionell ein Glas Milch dazu.