Peter Husty, Leiter der Neuen Residenz des Salzburg Museums und Chefkurator, spricht über den „Traumjob Chefkurator“, die Lust auf Kultur in Salzburg, die Landesausstellung „Großes Welttheater – 100 Jahre Salzburger Festspiele“ (noch bis 31.10.2021 zu sehen) und warum das Museum nicht nur eine Schlechtwetteralternative sein kann.
Sehr geehrter Herr Husty, Ihre Jobdescription lautet: Leiter Neue Residenz, Chefkurator. Was sind hier Ihre Aufgaben?
Peter Husty: Als Leiter der Neuen Residenz des Salzburg Museums kümmere ich mich um alle Belange des Hauses – um die Schauräume und Präsentationen ebenso wie um die Mitarbeiter:innen des Besucherservice und die Besucher:innen. Wichtig ist, dass alles im Haus funktioniert, technisch gesehen aber auch in Bezug auf die Reinigung, das beginnt am Eingang zum Hof und geht durch alle Räume. Als Chefkurator bin ich für alle Ausstellungen in allen Häusern zuständig. Mit Martin Hochleitner, dem Direktor des Salzburg Museum, erstelle ich das Ausstellungsprogramm und sorge für die Umsetzung in allen Bereichen, von der ersten Planung bis hin zur Eröffnung bzw. bis die Ausstellung auch wieder zu Ende geht. Ich sehe mich als koordinierende Schnittstelle zwischen den Mitarbeitern im Haus (Kuratoren, Handwerkerteam, Restauratoren, Vermittler…) und den externen Beteiligten, wie Architekten, Grafikern und den produzierenden Firmen.
War „Chefkurator“ ein Traumjob, als Sie in Salzburg Kunstgeschichte zu studieren begannen?
Keineswegs, im Studium stellt man sich Kunstgeschichte ganz anders vor, viel wissenschaftlicher und theoretischer, die Praxis ist anders. Aber mir gefällt und entspricht die Mischung aus Forschung und Organisation, der Kontakt mit Kuratoren und Planern, mit Besucherinnen und Besuchern sowie das Faktum, immer etwas Neues zu lernen – also doch irgendwie ein Traumjob.
Was sind die Herausforderungen als Chefkurator generell – und im speziellen im Salzburg Museum?
„Geht nicht, gibt´s nicht“ – das ist der Leitfaden meiner Tätigkeit. In einer Ausstellung sollten die Besucherinnen und Besucher alles selbstverständlich wahrnehmen, die Informationen sollten auf „unterhaltsame“ Weise vermittelt werden, alles sollte funktionieren und barrierefrei konsumierbar sein, zeitgerecht fertig werden und natürlich im Budgetplan bleiben. Oft werden kuratorische Konzepte nicht allen klar, hier muss man sich von einem zum nächsten Projekt verbessern. Bis das alles steht, ist es jedes Mal eine Menge an Organisation und zuweilen auch Mediation unter den Beteiligten von Nöten.
Was macht für Sie das Salzburg Museum und die Neue Residenz so speziell?
Dass es beim Umbau der Neuen Residenz zum Salzburg Museum – 2001 bis 2006 – gelungen ist, ein vierhundert Jahre altes Gebäude unter allen Auflagen in ein zeitgemäßes Museum und einen öffentlichen Ort umzuformen. Das neue Museum war damals sicher nicht „stylish und hipp“, erfüllt aber auch heute noch – 15 Jahre später – alle Funktionen und erweist sich für die diversen Ausstellungprojekte als äußerst wandelbar.
„Großes Welttheater – 100 Jahre Salzburger Festspiele“: War diese Landesausstellung eine besondere Herausforderung oder ganz im Gegenteil besonders „einfach“, weil es so viele interessante Inhalte quasi direkt vor der Haustüre gibt?
Es war kein schwieriges Projekt, aber seit der Eröffnung wohl eines der aufwändigsten! Es galt in Kooperation mit den Festspielen, deren extrem hohen Anspruch zu erfüllen, aber im Endeffekt die Inhalte doch so aufzubereiten, dass auch Besucher ohne Affinität zu den Salzburger Festspielen einen „Gewinn“, eine persönliche Erfahrung mitnehmen können. Dazu waren unzählige Gespräche und Diskussionen mit Kuratoren, Planern, Gestaltern und Künstlern notwendig. Das Ganze sollte nicht nur eine „einfache“ Abhandlung der Geschichte sein, sondern ein Dialog mit und über die Salzburger Festspiele.
Gab es noch überraschende Aha-Effekte in der Konzeption dieser Landesausstellung und nach den ersten Besucher-Feedbacks?
Ein Aha-Effekt war sicher die Erkenntnis, wie viele Objekte, Dokumente, Kostüme usw. die Salzburger Festspiele in den Abteilungen verwahren. Man hätte ohne Mühe eine zweite Ausstellung bedienen können…
Museumsbesuche waren in den vergangenen Monaten nicht immer möglich: Merken Sie einen gesteigerten „Hunger nach Kunst“ in der aktuellen Zeit?
Tatsächlich erreichen uns ziemlich viele Anfragen nach Veranstaltungen, Führungen, Konzerten, Vernissagen – wann geht es wieder los? Und aktuell die Rückmeldung von Besuchern, dass sie so froh sind, endlich wieder in ein Museum gehen zu können. Das Feedback auf unsere Online-Angebote wie den Online-Führungen auf Zoom war in den vergangenen Wochen auch sehr gut und wir werden dieses Angebot weiterführen. Auch der Podcast „Museum am Sofa“ ist richtig gut angenommen worden von den Kunst- und Kulturfreunden.
Sie sind beruflich in der Stadt Salzburg tätig, parallel dazu sind Sie im Tennengauer Kunstkreis aktiv und Leiter der Kultur.Werkstatt Oberalm. Was sind die Unterschiede zwischen Kunst & Kultur in der Stadt Salzburg und im Tennengau?
Grundsätzlich nicht viele. Wenn sich jemand für Kultur, und ich meine nicht nur Kunst, sondern beispielsweise auch Sport, Brauchtum usw. interessiert, dann findet er sie hier und dort. Und jene zu erreichen, die sich dafür weniger interessieren, ist hier und dort gleich schwierig. Für die Kultur am Land stehen nicht die gleichen Mittel zur Verfügung wie in der Stadt Salzburg, das ist auch den Subventionsgebern bewusst! Dementsprechend geht es in den Vereinen für die ich tätig bin, nicht nur um Besucherstatistiken, sondern um ein attraktives, breit gefächertes Angebot, das für die Region maßgeschneidert ist und doch über den Tellerrand blicken lässt.
Was macht für Sie die Kunstszene im Bundesland Salzburg im Vergleich zu anderen Regionen so attraktiv?
Die Kompaktheit von Stadt und Land! Salzburg als kulturelle Hochburg ist von überall schnell erreichbar und hier spielt sich wirklich auf „kleinster Fläche“ alles an kulturellem Leben ab. Und in der anderen Richtung ist man schnell am Land, um am lokalen Brauchtum, an Bauernherbst-Veranstaltungen, am Electric Love- oder am Jazzfestival in Saalfelden teilzunehmen.
Die aktuellen Zeiten sind für uns alle eine besondere Herausforderung. Welche Chancen sehen Sie aktuell und zukünftig für die Kunstszene im SalzburgerLand?
Dass sich in dieser Krisenzeit verschiedenste neue Formate entwickelt haben, digital und online, die nach der Krise sicher bestehen bleiben werden und mit denen man andere Interessierte erreichen kann. Das Salzburg Museum hätte wohl ohne „dringenden“ Anlass seinen Podcast „Museum am Sofa“ nicht so schnell etabliert, ein Format, das unglaublich spannende Themen „schnell konsumierbar“ aufbereitet und zeigt, wie vielfältig die Sammlung des Museums ist.
Abschließend noch eine Frage, Herr Husty: Ein Museum gilt oft als „Schlechtwetterprogramm“: Wie geht man diese spezielle Herausforderung an und was sind ihre „Schönwetter-Argumente“?
Klassischer Mythos von Langeweile – da hängen Bilder, da stehen Statuen herum… Noch wichtiger als das Ausstellen ist das Vermitteln, von der Bewerbung bis zu den Veranstaltungen. Wenn das Produkt – egal ob digital oder real – interessant ist und zwar sowohl die Ausstellung als auch Begleitprogramme, Vernissagen, Konzerte, Vorträge, Führungen, Workshops, dann kann man das auch bei Schönwetter konsumieren und danach seinen Kaffee oder sein Bier in der Sonne genießen!