Die gebürtige Italienerin Silvia Spinnato beschreitet gerne neue Wege, um sich selbst weiterzuentwickeln und unbekanntes Terrain zu erforschen. Im Interview spricht die Dirigentin über die Unterschiede zwischen ihrer Heimatstadt Palermo und Salzburg, ihr Orchester-Projekt und warum sie bei einem SalzburgerLand-Videodreh als Hauptrolle für Furore sorgt.
Liebe Frau Spinnato, Sie sind gebürtige Italienerin und die Musik hat sie nach Salzburg gebracht. Wie lebt es sich als Italienerin in Salzburg?
Salzburg ist eine wunderschöne Stadt, in der man vor allem die herrliche Landschaft, die Kultur und die allgegenwärtige alte Geschichte genießen kann. Salzburg ist keine Großstadt, aber kaum wo anders kann man so lange Spaziergänge in der Natur so nah am historischen Zentrum unternehmen wie hier. Salzburg ist in dieser Hinsicht die ideale Stadt für mich.
Was sind Ihre persönlichen Highlights in Salzburg?
Sizilien zu verlassen, um nach Salzburg zu kommen und hier zu leben, war sicherlich eine einschneidende Entscheidung in meinem Leben. Nicht nur aus beruflicher, sondern auch aus emotionaler Sicht. Auf der einen Seite verließ ich meine familiäre Umgebung, andererseits lernte ich hier meinen Mann kennen und mein Sohn wurde geboren. In Salzburg konnte ich mein Studium der Orchesterleitung abschließen und wichtige Projekte, wie das Female Symphonic Orchestra Austria (FSOA ins Leben rufen.

Sie haben Klavier und Komposition studiert und kamen für das Master-Studium Chorleitung, Gesang und Orchesterleitung ans Mozarteum nach Salzburg. Wie waren die ersten Wochen und Monate in dieser neuen Stadt für Sie?
Am Anfang war es nicht einfach: Ich sprach kein Wort Deutsch und kannte nur wenig Leute. Aber mit der Zeit habe ich wunderbare Menschen kennengelernt. Als Sizilianerin war natürlich auch das Klima in Salzburg ganz neu und eine Umstellung für mich.
Sie sind in Palermo geboren und aufgewachsen. Jetzt leben Sie mit Ihrer Familie in Salzburg. Was sind die größten Unterschiede im Alltag zwischen den beiden Städten Palermo und Salzburg?
Wie gesagt, die Anpassung an das Klima war sehr schwierig. In Palermo, wo es warm ist, lebt man ganz anders. Man bleibt auf der Straße, um auch bis spät in die Nacht hinein zu feiern. Die Geschäfte haben mindestens bis 20.30 Uhr geöffnet und die Restaurants bieten bis spät in die Nacht etwas zu Essen an. Das ist in Salzburg natürlich etwas anders, dafür ist das Leben viel geordneter und organisierter als in Palermo.
Gibt es aber auch Gemeinsamkeiten, die man auf den ersten Blick nicht vermuten würde?
Palermo ist wie Salzburg eine historische Stadt. An jeder Ecke kann man alte Gebäude und Denkmäler bewundern.
Heute sind Sie erfolgreiche Dirigentin und haben schon mehrere Auszeichnungen erhalten. Worauf kommt es als Dirigentin an?
Offensichtlich sind die Orchester alle unterschiedlich. In der Lage zu sein, in kürzester Zeit mit einem Orchester in Einklang zu kommen, um seine eigene Musik kommunizieren zu können, ist eines der wichtigsten, schwierigsten und gleichzeitig faszinierendsten Dinge.

Was machen Sie vielleicht anders als andere Dirigent:innen?
Schwer zu sagen… Jede Dirigentin, jeder Dirigent ist anders. Vielleicht unterscheidet mich von den meisten Dirigent:innen die Tatsache, dass ich mich leidenschaftlich für die Suche nach symphonischen Kompositionen von Komponistinnen interessiere. Die meisten Dirigentinnen versuchen, nur das bekannteste Repertoire zu dirigieren. Selbstverständlich mag ich das auch, aber ich liebe es ebenso, neue Musik zu recherchieren und jetzt insbesondere die von Komponistinnen.
Ihr Orchester besteht ausschließlich aus Frauen – ist Ihnen das ein besonderes Anliegen in der Kultur- und Musikszene?
Ein Frauenorchester ist definitiv etwas Besonderes in der Kultur- und Musikszene. Aber meine Entscheidung, ein Orchester nur aus Frauen zu gründen, ist Teil eines wichtigen und viel komplexeren Projektes.
Erzählen Sie kurz von Ihrem neuen Projekt zu den Werken von Frauen in der Musikgeschichte und der Symphonie der Anton-Bruckner-Studentin – was reizt Sie an diesen speziellen Projekten?
Nach etwa 15 Jahren Studium entdeckte ich erst vor drei Jahren, dass es ein immenses symphonisches Repertoire von Komponistinnen der Klassik und Romantik gibt. Also beschloss ich, mich der Erforschung dieses Repertoires zu widmen und ein weibliches Orchester zu gründen, das sich der Aufführung dieser Musik widmen würde: FSOA Female Symphonic Orchestra Austria. Am 18. September 2021 hat FSOA die Uraufführung der Hymnischen Symphonie von Mathilde Kralik von Mayrswalden im Rahmen der Klassischen Klangwolke 21 des Internationalen Bruckner Festivals im Brucknerhaus Linz mit 60 Musikerinnen gespielt. Wir haben die Partitur von dem Manuskript transkribiert, um dieses Werk aufführen zu können. FSOA hat einen Verlag gegründet und diese Symphonie editiert. Endlich kann jedes Orchester dieses Material ausleihen und spielen.

Warum ist dazu ein rein weibliches Orchester wichtig für die Umsetzung?
Die Wahl eines weiblichen Orchesters ist eine künstlerische Entscheidung, die dem Projekt noch mehr Kraft verleiht. Einige dieser Komponistinnen wie Mathilde Kralik von Meyrswalden oder Ethel Smyth haben zu ihrer Zeit eine beachtliche Karriere gemacht, mussten aber gegen eine rein männliche Gesellschaft kämpfen. Nach ihrem Tod kämpfte niemand mehr für sie. Deshalb sind sie heute vergessen. Leider ist die Entdeckung des Repertoires von Komponistinnen scheinbar immer noch hauptsächlich ein Bedürfnis von Frauen. Unser Ziel ist jedoch viel weiter gesteckt: Die hervorragende Qualität der Werke von Komponistinnen soll so bekannt werden, dass jedes Orchester sie bald zumindest zu 50 Prozent im Repertoire hat. Das Publikum wird in der Lage sein, diese wunderbare Musik kennen zu lernen und schließlich nach ihrem Namen in Google zu suchen und nicht nur nach dem Wort ‚Komponistinnen‘. Wir wollen keine noch stärkere Trennung zwischen Männern und Frauen schaffen … im Gegenteil! Wir wollen der Welt zurufen, dass wir eine Musikgeschichte haben, die bisher ignoriert wurde. Sobald dieses Ziel erreicht ist, könnte das FSOA durchaus auch ein gemischtes Orchester werden.
Sie sind nicht nur erfolgreiche Dirigentin, sondern spielen eine „Hauptrolle“ in einem Tourismus-Video für das SalzburgerLand für den italienischen Markt. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Das SalzburgerLand suchte eine Italienerin, die in Salzburg lebt, um ein Video zu drehen, die vor allem italienische Gäste ansprechen soll. Die Leiterin des Marktmanagements, die vor einigen Jahren in meinem Chor gesungen hatte, rief mich an und fragte, ob ich die Protagonistin sein wollte. Es schien mir eine interessante Erfahrung zu sein und ich sagte gleich zu. Ich habe es nicht bereut, es hat echt Spaß gemacht.
Haben Sie bei diesen Dreharbeiten das SalzburgerLand wieder aus einem neuen Blickwinkel kennengelernt?
Ja absolut. Obwohl ich seit 2004 in Salzburg lebe, hatte ich so wunderbare Orte wie Zell am See noch nie besucht. Das habe ich beim Videodreh mit dem SalzburgerLand zum Glück nachholen können.
Hat es Spaß gemacht, vor der Kamera zu stehen?
Ich hatte eine wirklich tolle Zeit. Manchmal war es richtig fordernd, aber es hat mir wirklich Spaß gemacht! Die Zusammenarbeit mit der Video-Crew und dem SalzburgerLand-Team war super.
Was ist Ihr Lieblingsort im SalzburgerLand?
Mit der Seilbahn den Untersberg ‚besteigen‘ und den Blick auf die Stadt Salzburg und die Alpen genießen ist für mich ein einzigartiges Erlebnis und diese Ausblicke möchte ich nicht mehr missen.